
Myelodysplastisches Syndrom (MDS): Therapie
Zuordnung in Risikogruppen zur Therapieplanung
Mithilfe des International Prognostic Scoring System (IPSS)- bzw. IPSS-Revised (IPSS-R)-Prognosescores werden die Patient:innen in zwei Risikogruppen – Niedrigrisiko-MDS und Hochrisiko-MDS – unterschieden, welche die Therapieplanung wesentlich beeinflussen. Daneben spielen bei der MDS-Behandlung weitere Faktoren eine Rolle: Neben Alter, Komorbiditäten und Allgemeinzustand haben auch die Erwartungen und Ziele der Patient:innen Einfluss auf die Therapieentscheidung. Die Behandlung sollte, wann immer es möglich ist, im Rahmen von klinischen Studien erfolgen.
Einteilung in die beiden Risikogruppen gemäß der Leitlinie der Deutschen Gesellschaft für Hämatologie und Medizinische Onkologie:
- Niedrigrisiko-MDS: IPSS LOW und INT-1; IPSS-R VERY LOW, LOW und INT
- Hochrisiko-MDS: IPSS INT-2 und HIGH; IPSS-R HIGH und VERY-HIGH
Therapie der Niedrigrisiko-MDS
Watch and wait
Abhängig von Alter und von Komorbiditäten genügt bei manchen MDS-Patient:innen mit nur gering ausgeprägter Zytopenie zunächst eine beobachtende Strategie mit regelmäßigen Kontrolluntersuchungen.
Supportive Therapie
Meist ist die symptomatische Anämie der Anlass, um eine Therapie einzuleiten. Die Grundlage der MDS-Behandlung ist hier eine gute supportive Therapie, die neben Transfusionen auch eine bedarfsweise antibiotische Therapie sowie die adäquate Behandlung von Begleiterkrankungen beinhaltet:
- Der wichtigste Bestandteil der supportiven Therapie ist die Transfusion von Erythrozytenkonzentraten, dabei hängt die Therapieentscheidung vom klinischen Zustand der Patient:innen ab. Da die dauerhafte Transfusion von Erythrozytenkonzentraten zu einer sekundären Eisenüberladung mit potenzieller Organschädigung (z. B. Kardiomyopathie) führen kann, wird bei langfristig transfundierten Patient:innen eine zusätzliche Eisenchelattherapie eingeleitet, um überschüssiges Eisen auszuscheiden.
- Bei Blutungszeichen infolge der Zytopenie kann die Transfusion von Thrombozytenkonzentraten erwogen werden.
- Bakterielle Infektionen werden meist frühzeitig antibiotisch therapiert, besonders bei Patient:innen mit Neutropenie. Außerdem sollten die empfohlenen Impfungen gegen Pneumokokken und Influenza durchgeführt werden.
- Die Behandlung von Begleiterkrankungen (Lungen, Herz etc.) ist ein weiterer wichtiger Pfeiler des Gesamttherapiekonzepts.
Krankheitsspezifische Therapie
Eine krankheitsspezifische Therapie wird abhängig von Erkrankungsstadium, Alter und klinischem Zustand der Patientin oder des Patienten eingeleitet. In der Regel ist hier die Erhaltung bzw. Verbesserung der Lebensqualität und der Autonomie der Patient:innen im Fokus.
- Um die Blutbildung anzuregen und den Transfusionsbedarf zu senken, werden in manchen Fällen Wachstumsfaktoren der Hämatopoese eingesetzt. Insbesondere kommen Erythropoese-stimulierenden Agenzien (ESA) wie Erythropoetin (EPO) zur Anwendung. Ein einigen Fällen wird Granulozytenkolonie-stimulierender Faktor (G-CSF) ergänzt.
- Bei bestimmten Niedrigrisiko-MDS-Patient:innen mit transfusionsabhängiger Anämie kann ein Erythrozyten-Reifungs-Aktivator eine alternative Therapieoption darstellen. MDS-Patient:innen mit Ringsideroblasten (< 5 % Blasten, ≥ 15 % Ringsideroblasten bzw. ≥ 5 % Ringsideroblasten im Knochenmark und Mutation von SF3B1) und einer transfusionsbedürftigen Anämie können mit einem Erythrozyten-Reifungs-Aktivator behandelt werden, wenn sie auf ESA nicht angesprochen haben oder die Wahrscheinlichkeit des Ansprechens auf ESA nicht hoch ist.
- Für Niedrigrisiko-MDS-Patient:innen mit transfusionsabhängiger Anämie und einer singulären Deletion am Chromosom 5 (MDS del[5q]) wird die Behandlung mit Immunmodulatoren empfohlen.
Bei MDS ist die einzige kurative Therapieoption eine allogene Stammzelltransplantation, die im Allgemeinen jedoch Patient:innen mit Hochrisiko-MDS vorbehalten ist. Allerdings sollte die Indikation zur allogenen Stammzelltransplantation auch bei Niedrigrisiko-Patient:innen in gutem klinischen Zustand, mit Hochrisiko-Zytogenetik und/oder schwerer Panzytopenie in Betracht gezogen werden.
Die Lebenserwartung von MDS-Hochrisikopatient:innen ist im Vergleich zur altersentsprechenden Bevölkerung deutlich eingeschränkt. Vor diesem Hintergrund besteht prinzipiell die Indikation zur Therapie, die eine Verlängerung der Lebenserwartung zum Ziel hat.
Allogene Stammzelltransplantation
Die kurative Behandlung eines myelodysplastischen Syndroms ist grundsätzlich nur durch eine allogene Stammzelltransplantation möglich. Bei allen Patient:innen mit Hochrisiko-MDS sollte deshalb zunächst die Möglichkeit einer allogenen Stammzelltransplantation geprüft werden.
Epigenetische Therapie
Patient:innen, die für eine allogene Stammzelltransplantation nicht geeignet sind oder Patient:innen zur Überbrückung bis zu einer allogenen Stammzelltransplantation können eine epigenetische Therapie mit demethylierenden Substanzen erhalten. Bei Fortschreiten der MDS-Krankheit und bei ausbleibendem Ansprechen nach 4-6 Zyklen sollten Patient:innen, wenn möglich, in laufende klinische Studien eingeschlossen werden.
Chemotherapie
Eine intensive Chemotherapie, entsprechend der Therapie bei AML, stellt keine etablierte Therapieoption für Hochrisiko-MDS-Patient:innen dar. Ob diese im Einzelfall sinnvoll ist, z. B. um eine Remission vor einer geplanten allogenen Stammzelltransplantation zu induzieren, ist vom Einzelfall abhängig und kann nur individuell entschieden werden.