
Mikrosatelliteninstabilität (MSI)
Mikrosatelliten sind über das humane Genom verteilte repetitive DNA-Sequenzen. Sie dienen der Aufrechterhaltung der Chromosomenstruktur und finden sich in den Centromerbereichen und am Ende der Chromosomen. Aufgrund ihrer repetitiven Struktur und der Tandemanordnung der Basen kommt es besonders leicht zu Mutationen und zu Längenänderungen der Mikrosatelliten-DNA. Das DNA-Mismatch-Reparatursystem (mismatch repair, MMR) ist ein hochgradig konserviertes Fehlerkorrektursystem, welches spontane Mutationen und Doppelstrangbrüche während der DNA-Replikation identifiziert und repariert. Die vier wichtigsten Gene des MMR sind MLH1 (mutL homolog 1), MSH2 (mutS homolog 2), MSH6 (mutS homolog 6) und PMS2 (postmeiotic segregation increased 2).
Hohe MSI (MSI-H)/defizientes MMR (dMMR)
Sind eines oder mehrere Gene des Mismatch-Reparatur-Systems defekt oder durch Hypermethylierung inaktiv, bezeichnet man dies als dMMR (deficient MMR). dMMR kann zu einer Anhäufung von Mutationen führen, insbesondere in den Bereichen der Mikrosatelliten.
Eine Anhäufung von Mutationen in diesen Mikrosatelliten wird als hohe Mikrosatelliteninstabilität (MSI-H) bezeichnet. Die Mutationen können kodierende Regionen der DNA direkt oder indirekt beeinflussen. Dies führt dazu, dass dMMR/MSI-H-Tumore insgesamt eine Vielzahl von Mutationen und somit eine hohe Tumormutationslast sowie eine höhere Anzahl an Neoantigenen aufweisen.
Nachweis der dMMR/MSI-H
Zum diagnostischen Nachweis einer dMMR/MSI-H können unterschiedliche Methoden eingesetzt werden :
- Immunhistochemie (IHC): Der Nachweis des Ausfalls eines der vier MMR-Proteine MLH1, MSH2, MSH6 und PMS2 (dMMR) erfolgt mittels IHC über spezifische Antikörper-Klone zum Nachweis der Proteine.
- Polymerasekettenreaktion (PCR): MSI-H kann über die PCR nachgewiesen werden. Hierbei weist man einen Größenunterschied spezifischer Mikrosatelliten im Vergleich zur Keimbahn nach. Hierzu sind verschiedene Methoden und Assays etabliert.
- Next-Generation-Sequenzierung (NGS): Über NGS können Veränderungen in der DNA und damit auch MSI nachgewiesen werden. Bis jetzt ist diese Methode in der Routine-Diagnostik von MSI jedoch noch nicht weit verbreitet.
Beim Kolorektalkarzinom und anderen Indikationen hat sich die Relevanz von dMMR/MSI-H als prädiktiver Biomarker für Immuntherapien gezeigt.
Erfahren Sie hier, bei welchen Zulassungen die MSI-/dMMR-Testung für Bristol Myers Squibb klinisch relevant ist.
dMMR-Nachweis über Immunhistochemie
Die DNA-Replikation ist ein Prozess, bei dem es immer wieder zu Fehlern beim Einbau der einzelnen DNA-Basen kommen kann. In gesunden Zellen garantiert das DNA-MMR-System, dass diese Fehlpaarungen erkannt und repariert werden. Ist dieses System jedoch defekt (dMMR), werden Fehler nicht mehr erkannt und repariert. In diesem Fall reichern sich mit der Zeit Mutationen im Genom an .
Das MMR-System wird von vier Proteinen gebildet, von denen sich jeweils zwei zu Paaren, sogenannten Heterodimeren, zusammenlagern. Die Heterodimer-Bildung der Proteine MLH1 und PMS2 sowie von MSH2 und MSH6 ist ein entscheidender Faktor für die Funktion und Stabilität der Proteine . Hierbei kann PMS2 sich nur mit MLH1 und MSH6 sich nur mit MSH2 zusammenlagern. Im Gegensatz dazu können die Proteine MLH1 und MSH2 auch Heterodimere mit anderen MMR-Proteinen bilden.
Treten Mutationen im Protein MLH1 auf, dann ist dies mit einem Ausfall der Proteine MLH1 und PMS2 verbunden. In gleicher Weise führen Mutationen im Protein MSH2 zum Ausfall der Proteine MSH2 und MLH6. Dies bedeutet, dass bei einem Nachweis mittels IHC beide Proteine nicht mehr detektiert werden können.
Umgekehrt führt der Ausfall der Proteine PMS2 oder MSH6 jedoch nicht zwangsläufig zum Ausfall ihrer Heterodimer-Partner MLH1 und MSH2. In diesen Fällen wird die Stabilität der Proteine durch Heterodimer-Bildung mit anderen Proteinen gewährleistet. So kann z. B. MSH6 durch MSH3 und PMS2 durch PMS1 oder MLH3 ersetzt werden.
- Da die Immunhistochemie breit und qualitätsgesichert zur Verfügung steht, wird sie als Methode der Wahl für den Nachweis von dMMR in der Primärdiagnostik aller Kolon- und Endometriumkarzinome empfohlen .dMMR ist hierbei als der Verlust der Expression von einem oder mehreren der vier MMR Proteine definiert.
Neuere Daten weisen darauf hin, dass es ausreichend ist, für die IHC die beiden MMR-Antikörper PMS2 und MSH6 zu verwenden.
Um zu gewährleisten, dass der dMMR-Status mittels IHC gesichert nachgewiesen wird, wird der Einsatz aller vier MMR-Antikörper empfohlen. In jedem Falle sollten alle vier MMR Antikörper auch zur Diagnosesicherung qualitätsgesichert vorgehalten werden.
Auch wenn die IHC für den Nachweis von dMMR lange etabliert ist, können bestimmte Faktoren die Diagnose für Patholog:innen herausfordernd gestalten.
Herausforderungen bei der dMMR-Diagnose durch IHC
- Variabilität bei der Gewebefixierung
- Heterogene Färbung
- Mutationen, die zu einer funktionellen, aber nicht quantitativen Veränderung führen
- Mutationen (z. B. Trunkierungen), die die Proteinstabilität oder -lokalisierung verändern
- Defizite bei anderen Proteinen als den vier MMR-Schlüsselproteinen
MSI-Nachweis über Polymerasekettenreaktion (PCR)
Im Gegensatz zur Immunhistochemie wird mit der PCR nicht der Verlust eines der MMR-Proteine nachgewiesen. Mit Hilfe der PCR wird der Phänotyp, also die biologische Folge dieses Verlustes überprüft. Dies ist, wie in der Einführung zu MSI nachzulesen <ANKERLINK>, die Anhäufung von Mutationen in den Mikrosatelliten.
Bereits vor über 20 Jahren wurden geeignete Mikrosatellitenmarker und entsprechende Cut-off-Werte zur Diagnose der Mikrosatelliteninstabilität identifiziert und validiert. Die hier identifizierten Mononukleotidmarker BAT25 und BAT26 sowie die polymorphen Dinukleotidmarker D5S346, D2S1123 und D17S250 wurden als „NCI-Bethesda-Panel“ vom National Cancer Institute (NCI) zur Diagnose von MSI empfohlen. Hierbei gilt ein Tumor als hochgradig Mikrosatelliten-instabil (MSI-H), sobald sich zwei der fünf Marker in der PCR als instabil erweisen. Zeigt sich in der Untersuchung nur ein Marker instabil (MSI-Low), wird zur Sicherstellung der Diagnose die Untersuchung der weiteren Marker BAT40, D10S197, D13S153, D18S58 und MYCL empfohlen. Sind bei den nun 10 untersuchten Markern ≥ 30 % instabil, wird der Tumor als MSI-H eingestuft.
Neben dem Bethesda-Panel kommen noch weitere MSI-Systeme zum Einsatz. Hierzu zählen das Promega-System, welches die Marker BAT25, BAT26, NR21, NR24 und Mono27 als MSI-Marker, sowie Penta-C und Penta-D zur Probenunterscheidung untersucht, aber auch vollautomatische Systeme wie der Biocartis IdyllaTM MSI-Test .
Für das Kolonkarzinom zeigen die Ergebnisse für dMMR aus der Immunhistochemie und die molekularen Befunde zur MSI eine hohe Übereinstimmung.