Die Myelofibrose (MF) ist eine seltene hämatologische Erkrankung und gehört zu den chronischen myeloproliferativen Neoplasien. Man unterscheidet zwischen einer Vorstufe der präfibrotischen primären Myelofibrose (präPMF) mit Hyperproliferation einer oder mehrere hämatopoetischer Zelllinien, einer primären Myelofibrose (PMF) mit zunehmender Fibrosierung des Knochenmarks und sekundären Formen, welche sich aus einer Polycythaemia vera (Post-PV-Myelofibrose) oder einer essenziellen Thrombozythämie (Post-ET-Myelofibrose) entwickeln können. Männer erkranken etwas häufiger als Frauen. Die Prognose wird von klinischen und genetischen Parametern bestimmt und kann mithilfe von verschiedenen Scores berechnet werden.1
Die Myelofibrose birgt das Risiko des Übergangs in eine akute myeloische Leukämie (AML), weitere wichtige Komplikationen stellen Infektionen und kardiovaskuläre Erkrankungen dar.1,2,3
Die meisten Fälle (85–90 %) von Myelofibrose entstehen aufgrund von Mutationen (Treibermutationen) in den Genen:1,5
9% der Fälle sind "triple negativ", das heißt es ist keine dieser drei genetischen Veränderungen vorhanden. Diese Gruppe hat im Vergleich eine besonders schlechte Prognose.1,5
Das betroffene Gen sowie weitere genetische Veränderungen in anderen Genen, wie zum Beispiel ASXL1, EZH2, DNMT3A, IDH1/IDH2 und SRSF2 („Passenger“-Mutationen), können den Phänotyp der Erkrankung und die Krankheitsprognose beeinflussen.1,5
Risikofaktoren für die Entstehung einer Myelofibrose sind nicht bekannt. In den meisten Fällen entsteht die Myelofibrose spontan (PMF), in einigen Fällen entsteht sie aus einer Polycythaemia vera (PV) oder einer essenziellen Thrombozythämie (ET).1 Dies betrifft jeweils etwa 15 % der PV- und der ET-Patient:innen.5 In Einzelfällen können myeloproliferative Neoplasien familiär gehäuft auftreten.1
Myelofibrosen entstehen durch genetische Defekte in den hämatopoetischen Stammzellen, die zunächst zu einer klonalen Expansion der Vorläufer der Thrombo- und Granulozyten führen können. Alle drei Treibermutationen (JAK2, CALR, MPL) können sowohl bei der PV, der ET als auch der PMF gefunden werden und beeinflussen direkt oder indirekt die Proliferation der hämatopoetischen Vorläuferzellen.6,7
JAK2 ist ein Teil des JAK-STAT-Signalwegs, über den die Zellproliferation stimuliert wird. Sowohl Mutationen von JAK2 als auch Mutationen im Thrombopoetinrezeptor (MPL)- und Calreticulin (CALR)-Gen können zu einer zu einer Aktivierung und Überstimulation der JAK-STAT-Signalkaskade führen und die Ausschüttung verschiedener Zytokine stimulieren.6
Überaktiver JAK-Signalweg bei Myelofibrose6Gangat N, Tefferi A. Myelofibrosis biology and contemporary management. Br J Haematol. 2020;191(2):152-170. doi:10.1111/bjh.16576
Doch auch bei Patient:innen ohne die Treibermutationen kann in manchen Fällen eine Überaktivität der JAK-STAT-Signalkaskade beobachtet werden.6
Im weiteren Krankheitsverlauf kommt es zu einer zunehmenden Fibrosierung des Knochenmarks und Zunahme der extramedullären Hämatopoese. Was genau die für die Myelofibrose charakteristische Faservermehrung im Knochenmark bedingt, ist momentan noch nicht ausreichend verstanden, allerdings legen Untersuchungen nahe, dass von den mutierten hämatopoetischen Stammzellen freigesetzte Zytokine zur Fibrosierung im Knochenmark beitragen könnten.6,8
Die Myelofibrose ist in der Regel lange asymptomatisch und manifestiert sich zunächst ausschließlich in Blutbildveränderungen (v. a. Thrombo- und Leukozytose) oder in einer Splenomegalie. Auch thromboembolische Ereignisse – oftmals in atypischer Lokalisation – wie Pfortader- und Milzvenenthrombosen oder ein Budd-Chiari-Syndrom kommen vor.
Im Verlauf sind weitere Symptome möglich:
Bei entsprechendem Verdacht wird eine ausführliche Anamnese, insbesondere bezüglich B-Symptomen, Thrombosen, Embolien und Blutungen sowie eine eingehende Familienanamnese bezüglich myeloproliferativer und sonstiger maligner Erkrankungen durchgeführt. In der körperlichen Untersuchung sollte auf die Größe von Milz und Leber und Anzeichen einer Anämie geachtet werden.1,9
Die Befunde der Laboruntersuchungen von Blut können bereits Hinweise auf das Vorliegen einer Myelofibrose geben, die endgültige Diagnosesicherung erfolgt jedoch in einer zytologischen, histologischen und molekulargenetischen Untersuchung des Knochenmarks. Die Befunde können sich je nach Erkrankungsstadium unterscheiden.1,9
Sollte anhand der Untersuchungsbefunde eine Myelofibrose vermutet werden, so sollte im nächsten Schritt eine molekulargenetische Analyse zur Diagnosesicherung erfolgen.1,9
Dabei werden die Treibermutationen der Myelofibrose (JAK2-, die CALR- und die MPL-Mutation) und das Vorliegen von Passenger-Mutationen (ASXL1, EZH2, DNMT3A, IDH1/IDH2 und SRSF2) untersucht.1,8,9,10
Zudem sollte auf eine BCR-ABL-Genfusion untersucht werden, um eine chronische myeloische Leukämie (CML) differenzialdiagnostisch auszuschließen und auch eine PV und ET sollten sicher ausgeschlossen werden können.1,9
Eine Oberbauchsonographie insbesondere im Hinblick auf eine Splenomegalie sollte im Rahmen der Diagnostik durchgeführt werden, dient jedoch nicht zur Diagnosestellung.1
Um die Diagnose einer fibrotischen PMF stellen zu können müssen jeweils verschiedene von der WHO definierte Kriterien erfüllt sein, die sich aus den Befunden der Knochenmarkszytologie und -histologie, dem molekulargenetischen Befund, Laborbefunden, der körperlichen Untersuchung und dem Ausschluss möglicher Differenzialdiagnosen ergibt. Zur Diagnose nach WHO müssen alle Hauptkriterien und mindestens ein Nebenkriterium erfüllt sein.11
WHO-Kriterien zur Diagnose einer primären Myelofibrose11Swerdlow SH, Campo E, Harris NL, et al.WHO classification of rumours of haematopoietic and lymphoid tissues. IARC Press; 2017.
Für die Myelofibrose existiert keine klassische Einteilung in Krankheitsstadien. Zur Wahl der geeigneten Therapie und einer Abschätzung der Prognose können verschiedene Scores zum Einsatz kommen, darunter:
Der IPSS- und der DIPSS-In beiden Scores werden jeweils in fünf Kategorien Punkte vergeben, wobei sich die Scores nur in der Wichtung des Hämoglobinwertes unterscheiden. Anhand der Einteilung in Prognosegruppen ist eine Abschätzung der Prognose möglich. Auch für die Wahl der Therapie spielt die Risikogruppe eine Rolle.1,12,14
Aus der Summe der Punkte kann dann eine Einteilung in vier Prognosegruppen erfolgen.
Die Wahl der Therapie wird vorrangig von der Risikogruppe, dem Alter, dem Allgemeinzustand und den Komorbiditäten bestimmt. Eine Stammzelltransplantation ist aktuell die einzige kurative Therapieoption.1
Patient:innen der Prognosegruppe
Weitere Optionen zur Therapie der Splenomegalie, die auch zu einer Besserung des Allgemeinbefindens führen kann, stellen die Milzbestrahlung und die Splenektomie dar.1
Regelmäßige körperliche Untersuchungen und Laboruntersuchungen sollten mehrmals jährlich, eine Oberbauchsonographie einmal jährlich erfolgen.1
Weiterführende Informationen zur Myelofibrose finden Sie in der aktuellen DGHO-Leitlinie zur Myelofibrose.