Weltweit stellt das Lungenkarzinom mit etwa 1,76 Millionen Todesfällen pro Jahr die Krebserkrankung mit der höchsten Mortalität dar.1 In Deutschland ist das Lungenkarzinom die mit Abstand häufigste Krebstodesursache bei Männern (24%) und die zweithäufigste (16%) bei
Frauen.2Bis zu 85% der Lungenkarzinome gehören der histologischen Subgruppe der nicht-kleinzelligen Lungenkarzinome an (non-small cell lung cancer, NSCLC)3 – in Abgrenzung zur Gruppe der kleinzelligen Lungenkarzinome (small cell lung cancer, SCLC). Für die Therapie ist ferner die Unterscheidung zwischen plattenepithelialen (squamösen) und nicht-plattenepithelialen NSCLC wichtig. Zu letzteren zählen Adenokarzinome und großzellige Karzinome der Lunge.4,5
Prozentualer Anteil der häufigsten Tumorlokalisationen an allen Krebssterbefällen: Das Lungenkarzinom gehört bei Krebserkrankungen in Deutschland zu den häufigsten Todesursachen2
Die häufigste Ursache für die Entstehung eines Lungenkarzinoms ist aktives Rauchen: Bis zu 90% der Männer und mindestens 60% der Frauen mit einem diagnostizierten Lungenkarzinom haben aktiv geraucht.2 Dabei korreliert das Erkrankungsrisiko mit der Anzahl der im Laufe des Lebens gerauchten Zigaretten.7 Die zunehmende Inzidenz bei Frauen geht mit einem zunehmend höheren Anteil an Frauen einher, die rauchen.2 Auch bei Passivrauchen ist das Lungenkrebsrisiko erhöht.
Weitere Risikofaktoren für ein Lungenkarzinom sind u. a. die Exposition gegenüber Radon oder Asbest, Luftverschmutzung oder eine genetische Prädisposition. Berufsbedingte Noxen wurden beim Lungenkarzinom ebenfalls erkannt, sodass sich neben der Raucheranamnese auch eine umfassende Arbeitsanamnese empfiehlt.8
Während das frühe Stadium des Lungenkarzinoms häufig asymptomatisch verläuft, deuten Schmerzen nicht selten bereits auf ein fortgeschrittenes Tumorstadium hin.8 Die folgende Tabelle fasst die charakteristischen Symptome und ihre Ursachen zusammen.8
Die klinische bzw. bildgebende Verdachtsdiagnose (CT Thorax) wird mittels Bronchoskopie und Biopsie bestätigt7,8. Auf die pathologische Sicherung eines primären Lungenkarzinoms folgt unter Berücksichtigung der klinischen Symptomatik eine Ausbreitungsdiagnostik (Staging). Im Rahmen dessen gibt ein MRT des Schädels Aufschluss über mögliche zerebrale Metastasen. Bei kurativem Therapiekonzept wird u.a. ein FDG-PET-CT durchgeführt.8
Bislang fehlen effektive Früherkennungsmaßnahmen (Screening-Programme) für asymptomatisch Erkrankte: Da die meisten Symptome eher unspezifisch und Frühsymptome ausgesprochen selten sind, weist die Mehrzahl der Betroffenen zum Zeitpunkt der Diagnosestellung bereits ein fortgeschrittenes Tumorstadium auf (IIIB und IV). Als mögliche Screening-Option bei Risikopersonen kann ein CT in Erwägung gezogen werden.8
Der Stellenwert der molekularpathologischen Charakterisierung für die Therapie des Lungenkarzinoms wächst, da bestimmte Lungenkarzinom-Subgruppen wie das Adenokarzinom heute von einer zielgerichteten Therapie profitieren können, wenn bestimmte, therapierelevante Treibermutationen vorliegen.8 Als Treibermutationen werden genetische Veränderungen bezeichnet, die den malignen Phänotyp einer Tumorzelle bestimmen. Mehr als 140 Treibermutationen sind inzwischen bekannt. Sie sind in die Regulierung von intrazellulären Mechanismen wie der Differenzierung, dem Zellüberleben oder der Beibehaltung der Genomintegrität der Tumorzelle involviert.9
Allerdings beschränkt sich der Anteil der mittels zielgerichteter Therapieoptionen („targeted therapies“) behandelbaren Mutationen auf eine Subgruppe von Patienten, der nur ein Teil der NSCLC-Patienten angehören.10
Molekulare Ziele im Rahmen der Therapie des nicht-kleinzelligen Lungenkarzinoms. ALK: anaplastische Lymphomkinase, EGFR: epidermal growth factor receptor, ERK: extracellular-signal regulated kinase, MEK: mitogen-activated protein/extracellular signal-regulated kinase, MHC: Haupthistokompatibilitätskomplex, PD: programmed cell death protein, PD-L1: PD-1-ligand 1, TCR: T-Zell-Rezeptor
Die derzeit therapierelevanten Treibermutationen finden sich vor allem beim Adenokarzinom der Lunge sowie häufig bei Nie- oder Wenig-Rauchern.10 Zu den wichtigsten Treibermutationen, die beim Adenokarzinom identifiziert wurden und als Ansatzpunkte für eine zielgerichtete Therapie dienen, gehören:8
Parallel zu den molekularpathologischen Untersuchungen sollte eine immunhistochemische Untersuchung auf PD-L1-Expression bei allen Patienten im Stadium III nach definitiver Strahlenchemotherapie und bei allen Patienten im Stadium IV vor Beginn einer medikamentösen Erstlinientherapie erfolgen8
Die Tumorklassifikation in verschiedene Stadien spielt für die spätere Therapiewahl eine entscheidende Rolle. Prognostisch und therapierelevant sind der vorherrschende Histologietyp und die Ausdehnung des Tumors bei Erstdiagnose. Dabei können Metastasen beim NSCLC in fast allen Regionen des Körpers auftreten. Die häufigsten Lokalisationen sind Lymphknoten, ipsi- oder kontralaterale Lunge, Skelett, Leber, Nebennieren und ZNS.8
Für das NSCLC wird die überarbeitete internationale Stadieneinteilung gemäß der International Association for the Study of Lung Cancer (IASLC) und Union for International Cancer Control 8 (UICC8) herangezogen. Dabei werden 35–40% der Patienten mit NSCLC erst im Stadium IV diagnostiziert.8
Pathologische Stadieneinteilung des nicht-kleinzelligen Lungenkarzinoms gemäß der Association for the Study of Lung Cancer (IASLC) und der Union for International Cancer Control 8 (UICC8) 8,12
Die Prognose der Erkrankung ist nach wie vor mit einer relativen 5-Jahres-Überlebensraten von 15% bei Männern und 20% bei Frauen ungünstig.8 Die Diagnose wird häufig erst in einem fortgeschrittenen Stadium gestellt,10 effektive Früherkennungsmaßnahmen sind noch nicht verfügbar.8 Daher ist eine weitere Verbesserung der Therapieoptionen erforderlich. Zusätzlich wird der Einsatz der bestehenden Therapieoptionen oft durch kardiovaskuläre, pulmonale oder andere, auch altersbedingte Komorbiditäten eingeschränkt.13,14 Dies betrifft sowohl die kurative als auch die palliative Therapie.8
Die ungünstige Prognose des Lungenkarzinoms hängt auf molekularpathologischer Ebene auch mit seiner hohen genetischen Heterogenität zusammen.15,16 Tumoren mit einer hohen Mutationslast scheinen vom Immunsystem besser erkannt zu werden und von einer Therapie mit Immuncheckpoint-Inhibitoren am meisten zu profitieren (siehe Abbildung unten).21 Bei einigen Tumorsubtypen spielt zudem der Nachweis von Treibermutationen bei der Therapiewahl eine Rolle.8
Immunonkologie – ein Erfolg versprechender Therapieansatz bei genetisch heterogenen Tumoren17
Korrelation zwischen der medianen Häufigkeit somatischer Mutationen und der objektiven Ansprechrate (Objective Response Rate, ORR) auf Anti-PD-1/PD-L1-gerichtete Wirkstoffe bei soliden Tumoren. Die Punktgröße ist proportional zur Anzahl der Patienten, bei denen die Wirksamkeit von gegen PD-1/PD-L1-Antikörpern getestet wurde. Die blau-gepunktete Linie repräsentiert die LOESS-Regressionskurve. Der p-Wert wird von einem linearen univariaten Modell abgeleitet (mediane somatische Mutationsfrequenz ~ ORR zu Anti-PD-1/PD-L1-Wirkstoffen).
Vor allem beim metastasierten (Stadium IIIB/IV), therapierefraktären NSCLC waren die therapeutischen Möglichkeiten trotz Fortschritten bislang eingeschränkt.18 Das immunonkologische Wirkprinzip mit Immun-Checkpoint-Inhibition spielt inzwischen beim Lungenkarzinom eine wichtige Rolle.8
Mehr Informationen zum Thema der Mutationslast von Tumoren (tumor mutation burden)
Die Therapie des NSCLC erfolgt stadienabhängig. Daher ist die exakte Klassifikation für den Therapieerfolg wesentlich. Als Entscheidungskriterien werden berücksichtigt:8
Im Rahmen eines multimodalen Behandlungsansatzes reichen die Therapiemodalitäten von der chirurgischen Tumorresektion über die Bestrahlung bis hin zu (neo) adjuvanten oder palliativen Chemotherapien sowie zielgerichteten und immunonkologischen
Therapien.7,8 Wenn möglich, sollten die Patienten im Rahmen einer klinischen Studie behandelt werden.8
Therapieoptionen beim nicht-metastasierten NSCLC sind Operation, Bestrahlung, neoadjuvante und adjuvante Chemotherapie, meist kombiniert als multimodale Therapie8
Die Rolle der Immuntherapie beim nicht-metastasierten NSCLC wird derzeit in einer Reihe von Studien untersucht. Hierbei werden PD-1- und PD-L1-Inhibitoren im adjuvanten und PD-1- und CTLA4-Inhibitoren im neodajuvanten bzw. peri-operativen Setting untersucht.22
Bei Patienten mit Oligometastasierung kann ein kurativer Therapieansatz erwogen werden. Therapie der Wahl ist eine optimale Lokaltherapie des Primärtumors und der Metastasen, gefolgt von einer additiven Chemotherapie8 Detailliertere Empfehlungen sind der aktuellen Leitlinie zu entnehmen. 8
Bei Patienten im Stadium IV mit multiplen Metastasen ist das Therapieziel eine palliative systemische Therapie.8,23 Sie richtet sich nach prädiktiven histologischen, immunhistochemischen und genetischen Markern und umfasst zielgerichtete sowie immunonkologische Therapieoptionen.8,23 Einen Algorithmus für die medikamentöse Erstlinientherapie von Patienten im diesem fortgeschrittenen Stadium ohne Nachweis von Treibermutationen stellt die folgende Abbildung dar.
Weiterführende Angaben zur Therapie des nicht-kleinzelligen Lungenkarzinoms sind in der aktuellen Leitlinie der deutschen Gesellschaft für Hämatologie und Medizinische Onkologie 8 und der European Society for Medical Oncology23 enthalten.
Für Patienten mit Lungenkarzinom in fortgeschrittenen Stadien, die nicht für eine zielgerichtete Therapie geeignet sind, werden immunonkologische Therapieoptionen empfohlen.10
Derzeit stehen mehrere PD-1- bzw. PD-L1-Inhibitoren für die Zweitlinientherapie des fortgeschrittenen oder metastasierten NSCLC zur Verfügung, ebenso ein PD-1-Inhibitor für die Erstlinienbehandlung des NSCLC bei einer PD-L1-Expression ≥ 50%. In der Erstlinienbehandlung können außerdem PD-1- bzw. PD-L1-Inhibitoren jeweils in Kombination mit einer Chemotherapie eingesetzt werden. Es können sowohl NSCLC mit plattenepithelialer als auch mit nicht-plattenepithelialer Histologie immunonkologisch behandelt werden.8 Die doppelte Immuntherapietherapie aus einem Anti-PD-1-Antikörper und einem niedrigdosierten Anti-CTLA4-Antikörper in Kombination mit einer reduzierten Anzahl an Chemotherapie-Zyklen ist inzwischen für die Erstlinientherapie des NSCLC ohne sensitivierende EGFR-Mutation oder ALK-Translokation zugelassen.23
Zudem steht ein PD-L1-Inhibitor in Kombination mit Chemotherapie für die Erstlinientherapie des SCLC zur Verfügung.20
Erfahren Sie mehr zu Immun-Checkpoint-Signalwegen als Angriffspunkte immunonkologischer Therapien