Das Plasmozytom oder Multiple Myelom ist eine maligne hämatologische Erkrankung, die durch die zumeist fortschreitende, unkontrollierte Proliferation von malignen Plasmazellen (Myelomzellen) im Knochenmark und durch Produktion von pathologischem monoklonalem Immunglobulin, dem sogenannten M-Protein, charakterisiert ist. Die Erkrankung wird auch als Morbus Kahler bezeichnet.1,2
Myelomzellen produzieren vermehrt vollständige oder unvollständige monoklonale Immunglobuline. Diese sind zumeist funktionslos, werden als Paraprotein oder M-Gradient bezeichnet und sind im Serum und/oder Urin von Patienten mit Plasmozytom nachweisbar. M-Proteine können sich im Blut, Urin oder in anderen Organen anreichern und zu Nierenfunktionsstörungen oder auch wiederkehrenden Infekten führen. Eine häufig damit einhergehende Beteiligung von Knochen und Knochenmark kann zu Osteolysen und Anämie führen.1,2
Einteilung der Myelomerkrankung nach Paraproteintyp1:
Zudem lässt sich das solitäre Plasmozytom ohne systemische Beteiligung vom multipel lokalisierten bzw. disseminierten Multiplen Myelom abgrenzen, wobei ein solitäres Plasmozytom prognostisch günstiger einzuordnen ist.1 Die Ätiologie der Erkrankung ist bislang unklar.1
Natürliche Killer (NK)-Zellen sind Teil des angeborenen Immunsystems. Sie erkennen und zerstören maligne Zellen und spielen daher bei der Immunantwort gegen Myelomzellen eine wichtige Rolle. Bei Patienten mit Plasmozytom werden Mechanismen in Gang gesetzt, die zu einer eingeschränkten Aktivierung und Funktion der NK-Zellen führen und die Abwehrfunktion negativ beeinflussen. Dies scheint im Krankheitsverlauf progredient zu sein und verschlechtert das Krankheitsbild.
Wie bei anderen Krebserkrankungen finden sich auch beim Plasmozytom auf den entarteten Zellen Oberflächenproteine wie CD38, CD138 und SLAMF7. Das Glykoprotein SLAMF7 (signaling lymphocyte activation molecule family member 7) wird auch als Glykoprotein CS1, CRACC oder CD319 bezeichnet. Es wird von mehr als 90% der Patienten mit Multiplem Myelom unabhängig vom zytogenetischen Risikoprofil stark überexprimiert, vornehmlich auf Myelomzellen und NK-Zellen.
In diesem Video erfahren Sie mehr über den SLAMF7-Signalweg und das Potenzial von NK-Zellen
Die Symptome des Plasmozytoms sind vielgestaltig und oft unspezifisch, ein spezielles Screening zur Früherkennung gibt es nicht.
Typische Symptome des manifesten Multiplen Myeloms:4
Ungefähr ein Viertel der Patienten ist bei Diagnosestellung beschwerdefrei.5,6
Zur Klassifikation des Multiplen Myeloms wird heute das Revised International Staging System (Revised ISS) verwendet, das Patienten anhand des Serumalbumins, des beta 2-Mikroglobulins im Serum, der LDH und zytogenetischer Aberration in die Prognose-Stadien I-III einteilt.1
Anhand genetischer Untersuchungen konnte gezeigt werden, dass Patienten mit bestimmten genetischen Veränderungen (z. B. Translokation t(4;14), Deletion del17p13, Amplifikation von Chromosom 1q21 und Deletion del 1p) tendenziell eine ungünstige Prognose für Krankheitsschwere und Krankheitsverlauf aufweisen.1
Die Therapiemöglichkeiten für das Plasmozytom haben sich in den vergangenen Jahren bedeutend weiterentwickelt und können heutzutage den Zeitraum der Tumorkontrolle (progression free survival, PFS) und das Gesamtüberleben (overall survival, OS) deutlich verlängern.
Beim Plasmozytom ist in der Regel die Einleitung einer Therapie indiziert, wenn eine Organschädigung eingetreten ist; diese wird durch folgende, sog. CRAB-Kriterien
bestimmt:1Die Behandlungsoptionen umfassen Chemotherapie, Stammzelltransplantation, Bestrahlung sowie auch die Gabe neuer Wirkstoffe (Antikörper, Immunmodulatoren, Proteasominhibitoren). Welche Therapie in Frage kommt, muss individuell festgelegt werden und hängt vom Krankheitsstadium sowie vom Alter und Allgemeinzustand des Patienten ab.
Eine Konsolidierungstherapie mit Substanzen wie Immunmodulatoren, Kortikosteroiden und Proteasominhibitoren, die bereits als Kombinationspartner in der Erstlinie eingesetzt werden, scheint für einzelne Subgruppen sinnvoll, da für alle drei Optionen positive Studienergebnisse mit Verlängerung des progressionsfreien und des Gesamtüberlebens vorliegen.1
Unterschiedliche Kombinationen dieser Wirkstoffe können als Erhaltungstherapie bei Patienten nach ASZT und bei nicht für ASZT geeigneten Patienten das progressionsfreie und teils das Gesamtüberleben verlängern.1
Einen immunonkologischen Ansatz bietet die Therapie des Multiplen Myeloms mit einem Antikörper, der sich spezifisch gegen das u. a. auf NK- und Myelomzellen exprimierte SLAMF7 richtet.9 Dieser immunaktivierende SLAMF7-Antikörper vermittelt die Zerstörung von Myelomzellen sowohl über die gezielte, direkte Aktivierung von NK-Zellen als auch über die Markierung von Myelomzellen, die ADCC (antikörperabhängige zelluläre Zytotoxizität) und ACDP (Makrophagen-vermittelte antikörperabhängige zellvermittelte Phagozytose).9,10,11
Der SLAMF7-Antikörper kommt in Kombination mit Lenalidomid bzw. Pomalidomid und Dexamethason zur Behandlung des Multiplen Myeloms bei Erwachsenen zum Einsatz, die mindestens eine bzw. zwei vorangegangene Therapien erhalten haben.1
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Die CAR-T-Zelltherapie stellt eine neue Therapieoption bei Patient:innen mit rezidiviertem/refraktären (rr) Multiplem Myelom dar.12 Sie nutzt die Fähigkeit der T-Zellen zur Abtötung der Tumorzellen. Für diese individuelle Therapie werden eigene T-Zellen der Patient:innen außerhalb des Körpers mit einem gentechnisch erzeugten chimären Antigenrezeptor (CAR) ausgestattet. Für die Behandlung des Multiplen Myeloms ist der CAR gegen das B-Zell-Reifungsantigen BCMA gerichtet, das auf der Oberfläche von Plasmazellen und Myelomzellen exprimiert wird. Nach einmaliger Infusion binden diese CAR-T-Zellen an BCMA und töten die Tumorzellen ab.13
Eine Behandlung mit CAR-T-Zellen kann bei erwachsenen Patient:innen mit rezidiviertem/refraktärem Multiplem Myelom eingesetzt werden, die mindestens drei vorausgegangene Therapien, darunter ein Immunmodulator, ein Proteasominhibitor und ein Anti-CD38-Antikörper, erhalten haben und bei denen die Erkrankung unter der letzten Therapie weiter fortgeschritten ist.12
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