Das kolorektale Karzinom ist weltweit mit 1,8 Millionen Betroffenen die dritthäufigste Krebserkrankung und steht an zweiter Stelle der Krebs-Todesursachen.1,2 Unter dem Begriff kolorektale Karzinome werden Kolon- und Rektumkarzinome zusammengefasst, da sie viele Gemeinsamkeiten in Ätiologie und Histologie aufweisen. Sie unterscheiden sich allerdings in der präoperativen, der operativen und der adjuvanten Therapiestrategie.3,4 Die Mehrheit der bösartigen Darmtumoren sind Adenokarzinome, die aus den Drüsenzellen der Darmschleimhaut entstehen.5,6
Der größte Teil der kolorektalen Karzinome entwickelt sich aus primär gutartigen Vorstufen, den Adenomen der Dickdarmmukosa (Adenom-Karzinom-Sequenz).5,6 Die Mehrheit der kolorektalen Karzinome entsteht sporadisch, etwa 20–30 % treten familiär gehäuft auf, ohne dass konkrete genetische Ursachen dafür gefunden werden können.8 Monogen, d. h. durch ein einzelnes Gen verursachte kolorektale Karzinome sind selten, sie umfassen weniger als 5 % aller kolorektalen Karzinome. Zu diesen zählen z. B. das hereditäre nicht-polypöse Kolonkarzinom-Syndrom (HNPCC oder Lynch-Syndrom) und familiäre Polyposis-Syndrome.8
Mikrosatelliteninstabilität
Der Begriff „Mikrosatelliteninstabilität“ (MSI) bezeichnet eine Anhäufung kurzer, sich wiederholender DNA-Abschnitte („Mikrosatelliten“). MSI ist die Folge von Defekten im Mismatch-Reparatur-(MMR-)System, das für die Reparatur falsch zugeordneter Basenpaare in der DNA zuständig ist.9 Bei mikrosatelliteninstabilen (MSI-) Tumoren kommt es zum Immune-Escape über eine Hochregulation von Immun-Checkpoints wie beispielsweise des PD-1-Immun-Checkpoint-Signalwegs.8
Ererbte MMR-Defekte (MMRD) liegen beim Lynch-Syndrom vor, hier findet man eine Mikrosatelliteninstabilität bei ca. 80 % aller kolorektalen Karzinome. Sie kann jedoch auch bei bis zu 15 % der sporadischen kolorektalen Karzinome auftreten.10 MSI gilt einerseits als prognostischer Faktor für eine günstigere Prognose und wird andererseits als prädiktiv für ein schlechteres Ansprechen auf adjuvante Chemotherapieschemata angesehen.3,4 Die Prognose von kolorektalen Karzinomen mit einer hochgradigen Mikrosatelliteninstabilität (MSI-H) ist abhängig vom Krankheitsstadium. In frühen Stadien haben diese Karzinome eine bessere11,12,13 und im metastasierten Stadium eine schlechtere Prognose14,15,16 als kolorektale Karzinome mit Mikrosatellitenstabilität (MSS) oder geringgradiger MSI (MSI-L).
Risikofaktoren
Das Risiko irgendwann im Leben an Darmkrebs zu erkranken, liegt in der Normalbevölkerung ohne genetische oder familiäre Belastung bei ca. 6 %17 und kann durch verschiedene Faktoren erhöht werden:3,4
Zur Früherkennung des kolorektalen Karzinoms sieht das gesetzliche Früherkennungsprogramm in Deutschland ab 50 Jahren (Männer) bzw. 55 Jahren (Frauen) eine zweimalige Koloskopie im Abstand von mindestens 10 Jahren vor. Im Rahmen der Koloskopie können Darmpolypen (Adenome) entfernt werden, die als Karzinom-Vorstufen gelten. Darüber hinaus wird im Alter von 50 bis 54 Jahren jährlich und ab 55 Jahren alle zwei Jahre ein immunologischer Test auf okkultes Blut im Stuhl angeboten, solange noch keine Früherkennungskoloskopie in Anspruch genommen wurde.18
Mit der Darmkrebs-Früherkennung kann nicht nur das Sterbe-, sondern auch das Erkrankungsrisiko günstig beeinflusst werden. Für Risikogruppen – Verwandte von Patienten mit kolorektalen Karzinomen, Genträger für erbliche kolorektale Karzinome, Patienten mit Colitis ulcerosa – gelten gesonderte Empfehlungen.7,8
Symptome
Charakteristische Frühsymptome fehlen beim kolorektalen Karzinom. Beschwerden treten in der Regel erst bei größeren Tumoren auf und sind abhängig von der Lage des Tumors.3
Initiale und präoperative Diagnostik
Die Onkopedia-Leitlinien „Kolonkarzinom“3 und „Rektumkarzinom“4 sowie die S3-Leitlinie „Kolorektales Karzinom“8 empfehlen zur Bestätigung der klinischen und/oder bildgebenden Verdachtsdiagnose und zur Stadieneinteilung folgende Untersuchungen:
Molekularbiologische Diagnostik
Durch die Bestimmung von Biomarkern und Genexpressionsprofilen können kolorektale Tumore immer genauer differenziert und die Therapie individuell nach den Tumorcharakteristika geplant werden.19 In der metastasierten Situation entscheiden die molekularpathologischen Charakteristika zunehmend über die Wahl der Therapie in der ersten und späteren Therapielinie. Bereits jetzt empfiehlt die aktuelle S3-Leitlinie „Kolorektales Karzinom“ vor Beginn der Therapie den Mutationsstatus der RAS-Gene und des BRAF-Gens sowie den MSI-Status zu untersuchen.8
TNM-Klassifikation
Die Klassifikation der Größe des Primärtumors und der Metastasierung erfolgt nach den TNM-Kriterien.20
Stadieneinteilung nach UICC
Die Einteilung der Union Internationale Contre le Cancer (UICC) fasst die TNM-Kriterien in Stadien zusammen.20
Prognose
Die relative Fünfjahres-Überlebensrate für kolorektale Karzinome liegt bei 63 % für Frauen und bei 62 % für Männer.7
Neben dem Krankheitsstadium gibt es weitere Faktoren, die die Prognose beeinflussen können. So ist beispielsweise die Prognose für Patienten mit rechtsseitigem Kolonkarzinom in den Stadien III und IV ungünstiger als für Patienten mit einem linksseitigen Kolonkarzinom. Rechtsseitige Karzinome zeigen u. a. häufiger Mutationen im Zusammenhang mit MSI sowie BRAF-Mutationen.3
Die multimodale Therapie des kolorektalen Karzinoms ist stadien- und risikoabhängig und erfolgt gemäß der S3-Leitlinie „Kolorektales Karzinom“8 und den Onkopedia-Leitlinien „Kolonkarzinom“3 und „Rektumkarzinom“.4
Chirurgische Therapie des kolorektalen Karzinoms in kurativer Intention (Stadien I – III)3,4,8
Die radikale chirurgische Therapie des kolorektalen Karzinoms in kurativer Intention umfasst die komplette Entfernung des Primärtumors mit tumorfreiem Sicherheitsabstand zum gesunden Gewebe und des regionären Lymphabflussgebietes sowie des Mesokolons bzw. Mesorektums entsprechend der Tumorlokalisation. Je nach Tumorstadium und Rezidivrisiko kann bzw. soll unter bestimmten Bedingungen nach kurativer Operation eine systemische adjuvante Chemotherapie erfolgen.8
Bei Karzinomen des Rektums empfiehlt die S3-Leitlinie in den Stadien II und III eine neoadjuvante Radiochemotherapie mit dem Ziel, möglichst eine den Schließmuskel erhaltende Operation zu erreichen, und bei primär operierten Patienten in den Stadien II und III eine adjuvante Therapie.8
Therapie bei Metastasierung (Stadium IV)8 – palliatives Setting
Die Wahl der Therapie im metastasierten Stadium richtet sich nach dem Allgemeinzustand des Patienten, der Lokalisation/Operabilität des Tumors sowie nach der Molekularbiologie, die die Grundlage für eine optimale zielgerichtete Behandlung darstellt.8
Besteht primär keine chirurgische Option, sollte eine möglichst effektive systemische Therapie mit dem primären Ziel einer maximalen Tumorreduktion eingesetzt werden. Die Wahl der systemischen Therapie hängt u. a. vom molekularpathologischen Profil (RAS-, BRAF-, MSI-, HER-2-Status) des Tumors ab, das möglichst vor Beginn der Erstlinientherapie bestimmt werden sollte.8
Die Wahl der Zweitlinientherapie orientiert sich vor allem an Ansprechen und Toxizität der Erstlinientherapie.8