Das Nierenzellkarzinom ist bei Erwachsenen mit über 90% die häufigste Form der Krebserkrankungen der Niere, 10% der Tumoren treten im Nierenbecken und den ableitenden Harnwegen auf, selten sind hingegen Non-Hodgkin-Lymphome und Sarkome.1 Nierenzellkarzinome stehen nach dem Prostata- und dem Urothelkarzinom an dritter Stelle der häufigsten urologischen Tumoren in Deutschland. Insgesamt machen die Nierenzellkarzinome etwa 3% aller neudiagnostizierten malignen Tumorerkrankungen aus.2,3
Das Nierenzellkarzinom ist ein meist von Tubuluszellen der Niere ausgehender maligner
Tumor.4 Histogenetisch handelt es sich um eine sehr heterogene Tumorentität, die in das klarzellige Nierenzellkarzinom (ca. 70–80%) und das nicht-klarzellige Nierenzellkarzinom unterteilt wird.5 Unter die nicht-klarzelligen Nierenzellkarzinome fallen das papilläre (10–15%) und das chromophobe Nierenzellkarzinom (3–5%) sowie das Ductus-Bellini-Karzinom (< 1%) und das Onkozytom (2–4%).6,7
Rauchen, Bluthochdruck und Übergewicht werden als die wichtigsten Risikofaktoren für die Entstehung von Nierenzellkarzinomen angesehen. Mögliche weitere Risikofaktoren sind unter anderem terminale Niereninsuffizienz/erworbene zystische Nierendegeneration und beruflicher Umgang mit Röntgenstrahlung oder halogenierten Kohlenwasserstoffen.1,2,8
Nierenzellkarzinome treten bei einer Reihe familiärer Tumorsyndrome auf (von Hippel-Lindau-Syndrom, Birt-Hogg-Dubé-Syndrom, hereditäre Leiomyomatose und hereditäres papilläres Nierenzellkarzinom). Die spezifische Histopathologie des jeweiligen Nierenkarzinoms gibt Hinweise auf das Vorliegen einer hereditären Genese.1
Da das klarzellige Nierenzellkarzinom wie die anderen Nierenzellkarzinome zu Beginn der Erkrankung symptomarm ist, wird es häufig zufällig entdeckt. Die klinische Trias aus schmerzloser Makrohämaturie, Flankenschmerz und tastbarer Raumforderung fehlt oft im klinischen Alltag.8
Für die präoperative Diagnostik des primären Nierenzellkarzinoms soll zur lokalen Stadieneinteilung und Resektionsplanung zunächst eine Computertomographie (CT) durchgeführt werden.1
Patienten mit Verdacht auf Nierenzellkarzinom und Venen- oder Cavabeteiligung sollten mit der Magnetresonanztomographie (MRT) untersucht werden. So können Raumforderungen der Niere klassifiziert und differenzialdiagnostisch von gutartigen Veränderungen wie Zysten, Pseudotumoren und Abszessen abgegrenzt werden.1
Eine Biopsie (aus dem Primarius oder einer Metastase) sollte nur durchgeführt werden, wenn davon das weitere therapeutische Vorgehen abhängt, z. B. vor lokal ablativen Verfahren oder vor einer systemischen Therapie. Zystische Raumforderungen sollten dabei nicht biopsiert werden.1
Die Klassifikation des Nierenzellkarzinoms erfolgt auf Basis der 2017 modifizierten TNM- und UICC-Kriterien. Ausschlaggebend für die Einteilung ist dabei die Größe und Ausbreitung des Primärtumors (T), der Befall von Lymphknoten (N) sowie das Vorliegen von Fernmetastasen (M).2
Bei klarzelligen und papillären Nierenzellkarzinomen sollte der Tumorgrad nach dem WHO-ISUP-Grading angegeben werden. Bei diesen Tumorentitäten besteht eine eindeutige Korrelation des Differenzierungsgrades mit der Prognose. Zusätzlich sollte der prozentuale Anteil von Tumornekrosen angegeben werden.1
Im Vergleich zu vielen anderen Tumorentitäten gilt das Nierenzellkarzinom als schwierig mit dem TNM-System zu prognostizieren.1 Deshalb wurden weitere Modelle entwickelt, die unter Einbeziehung von pathologischen Parametern und paraklinischen Größen eine Risikostratifizierung ermöglichen sollen.1 Zwei gängige Modelle sind die International Metastatic Renal Cell Carcinoma Database Consortium (IMDC)-bzw. Heng-Kriterien und der Motzer- bzw. Memorial Sloan Kettering Cancer Center (MSKCC)-Score.1,9,10 Bei beiden Modellen werden die Patienten drei Risikogruppen zugeordnet: günstiges, intermediäres und ungünstiges Risikoprofil.2
Basierend auf der Anzahl der zutreffenden Kriterien erfolgt eine Einteilung in drei Prognosegruppen:1
In Studien zeigten Patienten unter einer Erstlinientherapie in der Prognosegruppe mit gutem Risikoprofil ein medianes Gesamtüberleben von etwa 43,2 Monaten, während das Gesamtüberleben für die Gruppe der Patienten in der intermediären Gruppe mit ca. 22,5 Monaten und in der ungünstigen Gruppe mit 7,8 Monaten deutlich niedriger ausfiel.1,10,11 In der Zweitlinientherapie fiel das mediane Gesamtüberleben allgemein geringer aus. Patienten mit gutem Risikoprofil erreichten ein medianes Gesamtüberleben von 35,3 Monaten, Patienten mit intermediärem Risikoprofil 16,6 Monate und Patienten mit ungünstigem Risikoprofil 5,4 Monate.11 Wird ein Patient anhand dieser Einschätzung der ungünstigen Prognosegruppe zugeteilt, sollte zeitnah eine Therapie begonnen werden, da eine rasche Tumorausbreitung und Verschlechterung zu erwarten sind.1
Neben dem IMDC-Score wird auch der MSKCC-Score, der fünf Kriterien enthält, häufig zur Bestimmung der Prognosegruppen herangezogen.
Basierend auf der Anzahl der zutreffenden Kriterien erfolgt eine Einteilung in drei Prognosegruppen:1,9
Studien konnten zeigen, dass die Prognosegruppen sich im Gesamtüberleben deutlich unterscheiden. So erreichten Patienten in der günstigen Prognosegruppe ein medianes Gesamtüberleben von über 40 Monaten, während das Gesamtüberleben für die Gruppe der Patienten in der intermediären Gruppe mit ca. 26 Monaten und in der ungünstigen Gruppe mit unter 10 Monaten deutlich niedriger ausfiel.12
Die Wahl der Therapie hängt vor allem davon ab, wie weit sich der Tumor ausgebreitet hat und ob sich bereits Metastasen gebildet haben.1
Bevor ablative Verfahren eingesetzt werden, sollte eine perkutane Nierentumorbiopsie erfolgen. Bei Patienten mit kleinen Nierentumoren und hoher Komorbidität und/oder begrenzter Lebenserwartung können eine Kryoablation und Radiofrequenzablation durchgeführt werden.1
Beim lokalisierten Nierenzellkarzinom soll eine chirurgische Resektion als kurative Therapieoption erfolgen. Dabei versucht man heute die gesunden Organanteile durch eine Nephron-sparing-Chirurgie zu erhalten, ohne die onkologische Radikalität im Sinne einer R0-Resektion zu gefährden.1,8
Wenn eine nierenerhaltende Operation nicht möglich ist, sollte eine minimalinvasive Nephrektomie durchgeführt werden.1
Die systemische Therapie des metastasierten Nierenzellkarzinoms hat sich durch die Einführung der zielgerichteten Therapien mit Angiogenese-Inhibitoren (wie Tyrosinkinase-Inhibitoren (TKI) und mTOR (mechanistic target of rapamycin)-Inhibitoren) und immunonkologische Therapien grundlegend geändert. Immunonkologische Therapien sind heutzutage neben den zielgerichteten bzw. antiangiogenetisch wirksamen Therapien ein essenzieller Baustein der systemischen Therapie des Nierenzellkarzinoms
Bei fortschreitender Erkrankung sind häufig mehrere Therapiesequenzen erforderlich. Die optimale Therapieabfolge im Einsatz der aktuell zugelassenen Substanzen ist noch nicht bekannt, daher sollte die systemische Therapie individuell je nach Krankheitsverlauf und vorliegenden Komorbiditäten sowie den substanzspezifischen Nebenwirkungen ausgewählt werden. Hierzu gibt es entsprechende Empfehlungen in gängigen Leitlinien, z.B. S3-, EAU- und ESMO-Leitlinie zum Nierenzellkarzinom.
Immunonkologische Therapien sind heutzutage neben den zielgerichteten bzw. antiangiogenetisch wirksamen wie z. B. TKIs ein essenzieller Baustein der systemischen Therapie des Nierenzellkarzinoms.
Beim fortgeschrittenen Nierenzellkarzinom können immunonkologische Wirkstoffe als Monotherapie oder als Kombinationstherapien eingesetzt werden. Basis dieser Kombinationen sind Inhibitoren des PD-1- bzw. PD-L1-Signalwegs. Mögliche Kombinationspartner sind CTLA-4-Inhibitoren oder TKIs. CTLA-4-Inhibitoren sind ebenfalls immunonkologisch wirksam. Durch die Kombination mit TKIs wird der Tumor zum einen zielgerichtet angegriffen und durch die immunonkologische Komponente des PD-1- bzw. PD-L1-Inhibitors wird zum anderen das Immunsystem gegen den Tumor aktiviert. TKIs können beim Nierenzellkarzinom auch als Monotherapien eingesetzt werden.
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